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Die nachhaltige Wirkung landwirtschaftlicher Schulungen

Interview mit unserem neuen Projektkoordinator für Afrika, Jean Nibayubahe, der seit Juli 2025 bei FH Schweiz tätig ist. Jean Nibayubahe arbeitete seit der Gründung von FH Burundi im Jahr 2006 bis 2021 für die Organisation und war dort unter anderem als Koordinator, und Programmverantwortlicher tätig. Heute ist er als Berater, insbesondere für die FAO, tätig, bildet Bauern in seinem Dorf aus und ist zertifizierter Saatgutvermehrer.

Was sind deiner Meinung nach die grössten Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit?
Die grösste Herausforderung für humanitäre Organisationen ist der Rückgang der Finanzmittel angesichts steigender Bedürfnisse: Nahrung, Trinkwasser, Gesundheitsversorgung. Die zweite Herausforderung besteht daher darin, gemeinsam mit den Gemeinden zu planen, Prioritäten festzulegen und dort zu handeln, wo die Wirkung am unmittelbarsten und bedeutendsten ist.
 
FH Schweiz hat die Kaffeekooperativen im Norden Burundis in der Provinz Kayanza bei der nachhaltigen Kaffeeproduktion unterstützt. Was ist das Entwicklungspotenzial des Kaffeeanbaus?
Der Kaffeeanbau bietet ein grosses Potenzial: 8 Millionen Burundier leben vom Kaffee, der mehr als 75 % der Exporteinnahmen ausmacht. Der Kaffee ist international sehr beliebt und Burundi hat ihn zu seiner Spezialität gemacht.
Die Idee ist, nachhaltig mit dem Label Rain Forest Alliance zu produzieren, das vergeben wird, wenn nachhaltige landwirtschaftliche Methoden und Praktiken angewendet werden. Das Ziel ist es, Erzeugergenossenschaften dabei zu helfen, Qualitätslabels zu erhalten, damit sie zu besseren Preisen verkaufen können, und agroökologische Praktiken wie die Agroforstwirtschaft zu integrieren, die den Boden bereichert und die Qualität des Kaffees verbessert, indem Kaffeebäume und Obstbäume auf demselben Feld gepflanzt werden, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen.
 
Betreibst du auch Kaffeeanbau?
Leider nein, da ich nicht aus einer Region stamme, in der Kaffee angebaut wird. Aber wenn ich in einer dieser Regionen geboren wäre, würde ich mich mit Kaffee beschäftigen. Allerdings bin ich Landwirt und baue andere Produkte wie Kartoffeln, Mais und Bohnen an.
 
Hast du die Möglichkeit, andere Bäuerinnen und Bauern auszubilden?
Ja, im Dorf bilde ich andere Bauern aus und bin ein Multiplikator für Kartoffel-, Mais- und Bohnensaatgut. Dieses Saatgut ist zertifiziert. Das gibt den umliegenden Gemeinden die Möglichkeit, Zugang zu hochwertigem Saatgut zu erhalten.
 
Könntest du uns einen oder mehrere Werdegänge schildern, die dich besonders beeindruckt haben?
Unter all den Menschen, die ich kennengelernt habe, hat mich der Werdegang von Adélaïde, einer von FH ausgebildeten Modellbäuerin, sehr beeindruckt. Diese Bäuerin hat ihr landwirtschaftliches Wissen in grossem Umfang an ihre Mitmenschen weitergegeben. Sie produziert ihr eigenes Saatgut und inspiriert weiterhin neue Ausbilderinnen. Heute ist sie unabhängig, finanziert die Ausbildung ihrer Kinder und besitzt ein Haus mit fliessendem Wasser. Ihr Werdegang ist beeindruckend, denn als langjährige Modellbäuerin hat sie viele Menschen unterrichtet, die ihrerseits zu Ausbilderinnen geworden sind und heute ihr Saatgut vermarkten. Sie veranschaulicht die nachhaltige Wirkung landwirtschaftlicher Ausbildungen und ihren Multiplikatoreffekt. Ich bin stolz und glücklich, Zeuge dieser Veränderungen zu sein. Da ist auch die Geschichte dieses ugandischen Bauern, der bei sich zu Hause eine Biogasanlage installieren konnte. In seinem Haus kocht er mit dem, was er produziert, und düngt seine Felder mit dem Rest. Dies ist ein weiteres Beispiel für einen Wandel, der ein Erfolgsmodell darstellt. Dieser ugandische Landwirt hat ein höheres Einkommen als eine andere Person, die auf dem Arbeitsmarkt tätig ist und einen Hochschulabschluss hat.
Ich lade Sie ein, sich den Dokumentarfilm «Die Erde, meine Freundin»* von FH Schweiz anzusehen. Darin erfahren Sie mehr über den Ansatz von FH Schweiz und entdecken weitere interessante Geschichten. Der Dokumentarfilm ist auf dem Youtube-Kanal von FH Suisse – Food for the Hungry verfügbar.
 
Du warst 15 Jahre lang bei FH Burundi tätig. Kannst du uns mehr über deinen beruflichen Werdegang erzählen?
Ich bin ausgebildeter Funkingenieur. Ich habe beim nationalen Rundfunk als Ingenieur und auch als Leiter der Vertriebs- und Marketingabteilung gearbeitet. Anschliessend habe ich mich für eine Karriere im humanitären Bereich entschieden und bin einer nationalen Kommission beigetreten, die für die Umsiedlung und Integration burundischer Rückkehrer nach dem Ende des Bürgerkriegs zuständig war. Zu dieser Zeit lernte ich die Organisation Food for the Hungry kennen, die bereits in Ruanda tätig war und ein Büro in Burundi eröffnen wollte. Ich war der erste, der zunächst als Berater für die Zulassungsverfahren in Burundi eingestellt wurde. Nach der Zulassung im März 2026 wurde ich im Mai 2026 eingestellt und war von 2006 bis 2021 bei FH Burundi in verschiedenen Positionen tätig: Koordination und Planung, Ressourcenentwicklung, Programmüberwachung und -bewertung sowie Verantwortung für die Ernährungssicherheit. In diesem Rahmen war ich an vorderster Front für die Verwaltung der von der Fédération genevoise de coopération (FGC) und anderen Gebern finanzierten Landwirtschaftsprojekte zuständig.
Die Themen Agrarökologie und Ernährungssouveränität wurden in diesem Zusammenhang eingeführt und durch die Organisation von vier internationalen Schulungsworkshops zur Agrarökologie konkretisiert, die ich zwischen 2013 und 2017 gemeinsam mit FH Suisse in Burundi, Ruanda, Uganda und Kenia koordiniert habe. Daraus entstand ein grenzüberschreitendes Projekt mit dem Titel „Netzwerk agroökologischer Landwirte in den Ländern der Grossen Seen (DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda)“, dessen Koordinierung mir anvertraut wurde. Die Koordinierung derselben Aktivität in vier verschiedenen Ländern ist eine sehr bereichernde Erfahrung. Im Jahr 2021 bin ich nach 15 Jahren bei FH Burundi in den Ruhestand getreten. Heute arbeite ich weiterhin als Berater, insbesondere für die FAO. Im Juli 2025 bin ich zu FH Schweiz gekommen, um die von FH Schweiz finanzierten Projekte in Afrika zu koordinieren.

Vielen Dank für dieses Gespräch.
 

* Sehen Sie sich unsere Dokumentarfilm "Die Erde, meine Freundin" auf unserem YouTube-Kanal «FH Suisse – Food for the Hungry» an.
Dort erfahren Sie mehr über den Ansatz von FH Schweiz und entdecken weitere Porträts.
 

Bild: Prosper Niyonsaba und weitere Mitglieder des Teams von FH Burundi, Jean Nibayubahe und Roger Zürcher von FH Schweiz.

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